“Scanner”-Persönlichkeiten

An dieser Stelle möchte ich auf eine immens wandlungsfähige und für ihre Umwelt herausfordernde Spezies unter den Hochbegabten hinweisen, die so genannten „Scanner“. Der Begriff stammt von Barbara Sher, die als Coach immer wieder auf Menschen mit einem schier unglaublichen Schatz an Interessen und Begabungen gestoßen ist, die in der heutigen spezialisierten Welt ihren Platz als „Allrounder“ kaum finden. In der Natur mag man einer Ente zugestehen, dass sie alles recht gut kann: schwimmen, tauchen, fliegen und „gehen“ – aber nur wenige wissen die Stärken eines Scanners wie Aufgeschlossenheit, Variationsbreite und Anpassungsfähigkeit zu nutzen. Das gilt auch für Unternehmen. Es wäre keine gute Idee, einem so „bunten Vogel“ dazu zu raten, nur eine seiner vielen Potenziale und Ideen zu verwirklichen – denn diesen Menschen beflügelt in seiner Wirksamkeit und Leistungsbereitschaft gerade die Breite und Fülle verschiedenster Erfahrungen.

Scanner sind nicht wankelmütig; ganz im Gegenteil: Sie verfolgen ein Thema, bis sie es durchdrungen haben – und wenden sich danach einer neuen, spannenden Frage zu. Das Resultat ist der vielzitierte “bunte Lebenslauf”, der auf den ersten Blick keinen roten Faden zu haben scheint. Auf den zweiten Blick allerdings schon. Es gibt eine Reihe von Berufen und Branchen, in denen genau diese Qualitäten erfolgsentscheidend sind. Trotzdem fordern die permanenten Auf- und Umbrüche natürlich ihren Tribut. Mit Blick auf den Kräfte- und Energiehaushalt geht es bei Scannern spätestens ab der Lebensmitte um eine gesunde Balance zwischen all dem, was an Entwicklung wünschenswert wäre und dem, was tatsächlich in diesem einen Leben noch realisierbar ist – ich unterstütze Sie gerne dabei, aus der Ambivalenz heraus Prioritäten abzuleiten, die für Sie stimmig sind und Sinn machen.

High Sensation Seeker (HSS)

Eine Sonderausgabe der Scanner, die grundsätzlich starke Anregung suchen, sind diejenigen, die aufgrund Ihrer Hochsensibilität schnell an ihre Verarbeitungsgrenzen stoßen: Barbara Sher nennt sie High Sensation Seaker (HSS). Das sind unternehmungsfreudige, begeisterungsfähige Hochsensible, die Impulse, Anregung und Abenteuer suchen, um sich zu spüren, energiegeladen und lebendig zu fühlen. Oft fühlen sie sich hingezogen zu riskanten Sportarten (Fallschirmspringen, Bungee-Jumping, Klettern …), suchen Bekanntschaften zu unkonventionellen Menschen (Freaks, Kreative), und gehen dafür sogar auf große Events, Festivals oder Happenings. Einige von ihnen sind wahre Lebenskünstler und leben höchst individuelle, unangepasste Lebensentwürfe. Für so lebenshungrige „Unruhegeister“, die in einem hochsensiblen Organismus „wohnen“, ist die gesundheitliche Gratwanderung zwischen einer Unterforderung, z.B. durch Routine im Alltag, und einer Überforderung, z.B. durch Überstimulation des Sinnes- und Nervensystems in der Freizeit, sehr schmal. Viele Hochsensible mit diesem Profil stehen daher bildlich gesprochen mit einem Fuß auf dem Gas und mit dem anderen auf der Bremse; eine sehr verschleißende Lösungsstrategie, ebenso wie die vergeblichen Versuche, sich das Bedürfnis nach Anregung abzugewöhnen oder robuster zu werden, als man tatsächlich ist. Denn: Wer als sensibler Mensch versucht, ein „normales“ Leben zu führen, gerät oft in einen Teufelskreis aus Überstimulation und Schonung. Meistens geht es eher darum, andere Wege des Ausgleichs und der Entspannung unter Stress und Belastung zu finden, als Herausforderungen ganz zu meiden, damit immer stärker auf Stress zu reagieren und von einem Extrem ins andere zu fallen. Oft reicht es schon, auf die Signale des eigenen Körpers zu vertrauen, sie wahr- und ernst zu nehmen und spontane Impulse zunehmend gesünder, d.h. maßvoll und bewusst zu beantworten.

Bindungsangst

An dieser Stelle möchte ich noch ein weiteres, heikles Thema aufgreifen, das viel Leid verursachen kann: Bindungsangst. Wer immer wieder soziale Ruhe sucht, sei es, weil er hochsensibel oder introvertiert ist, wer nicht darauf vertrauen kann, dass er innerhalb einer Beziehung genügend Raum zum atmen und leben findet, weil ihm diese Erfahrung fehlt, wer sich schnell für immer andere Dinge begeistern kann, sodass das Leben eigentlich viel zu kurz ist, für alles, was ihn begeistert – der ist in Beziehungen wenig greifbar, scheint sie zu scheuen. Es kann Ausdruck einer Vermeidungsstrategie sein, immer “Hansdampf in allen Gassen” zu sein. Hier lohnt es sich, genau hinzuschauen; leider sind solche Tendenzen mit so viel Schuld- und Schamgefühlen verbunden, dass wir den ehrlichen Blick erst wagen können, wenn es uns gelingt, uns auch mit unseren ungeliebten Seiten zu versöhnen, Freundschaft zu schließen mit uns als Mensch in aller Unvollkommenheit. Oft ist unsere größte Angst im Grunde, zu verlieren, was wir am meisten lieben. Um uns zu schützen, scheuen wir eine echte, tiefe Bindung. Ein hoher Preis.